Elly Kreeb

Vom Glück im Freien zu sein

DIE TAGE DES GÄRTNERS von Jakob Augstein

Ein ungewöhnliches Gartenbuch.

Das Buch von Jakob Augstein über seinen Garten in einem Berliner Vorort ist keines der üblichen Gartenbücher, von dem man sich nützliche Tipps zur Bepflanzung eines Gartens erwartet. Mit den grünen Zeichnungen von Nils Hoff, Grafiker am Museum für Naturkunde in Berlin, ist das Buch sehr liebevoll gestaltet. Der Gärtner Augstein sinniert beim Graben, Pflanzen und Düngen in seinem verwahrlost übernommenen Garten über Gott und die Welt. Der Garten ist für ihn ein Ort des inneren Rückzugs. Seine literarischen und philosophischen Reflexionen haben mich so beeindruckt, dass ich das Buch begeistert verschlungen habe. Es ist amüsant und flüssig geschrieben und bietet dem Leser Gelegenheit zu schmunzeln und zu staunen.

Das Buch beginnt mit dem Herbst, wo im Garten die meiste Arbeit anfällt. Alles was im Frühling und Sommer blühen soll, muss unter die Erde. Da heißt es Tausende von Blumenzwiebel (Narzissen, Krokusse, Tulpen, Nelken) zu stecken. Das angelesene Fachwissen des Autors über die Tätigkeiten im Garten ist ernorm. Die botanischen Namen der Pflanzen werden häufig angegeben und mehrere Arten von Blumen anschaulich besprochen.

Der in dem Buch beschriebene Garten ist nicht besonders groß. Man kann ihn in neunzehn Sekunden der Länge nach durchschreiten. Er ist ein reines, ästhetisches Kunstprodukt, dem der Gärtner seine Ordnung aufzwingt. Von einem Nutzgarten hält Jakob Augstein gar nichts: für mich als Schwäbin ist dies schwer nachvollziehbar.


 

Gehölze und Blumen im Garten

Rhododendren sind die kostbarsten Pflanzen in Augsteins Garten. Diese Pflanze, die auch Rosenbaum oder Apfelrose genannt wird, kommt aus den Bergen und braucht sehr viel Wasser. Rhododendren benötigen einen offenen, torfartigen Boden. Die Blüten sind wunderbar, aber leider nur kurzlebig, so dass die Büsche für den Rest des Jahres mit ihrem dunklen, vornehmen Grün im Garten stehen. Große Exemplare sind beim Kauf „wirklich ziemlich teuer. Ein Solitär mit Ballen kostet 1000.- € und man sollte auch keine billigen Lieferanten wählen.“ Es gibt über tausend Arten von Rhododendren, wovon der Autor die alte Sorte ‚Cunninghams White’ empfiehlt.

Im Sommer wird die Arbeit für den Gärtner körperlich etwas leichter, gemessen am Frühjahr und Herbst. Jetzt beschäftigt er sich mit der ‚Königin des Gartens:’ Seinen Rosen. Er hat nicht viele davon, weil in seinem Garten die Sonne fehlt. Rosen brauchen einen sandigen und durchlässigen Boden. Augstein findet sie kompliziert, da sie anfällig für Rosenblattläuse und Raupen sind. Er beschränkt sich auf vier Farben: eine Kletterrose in orangeapricot, eine dunkelrote, eine zartrosafarbene ‚Rambler’ sowie eine alte Veilchenblau, deren Blüten in schönstem Violett leuchten.

Zu den zuverlässigsten und wandlungsreichsten Pflanzen gehört das Geranium, von dem es ca. 400 Arten gibt.  Hier muss man unterscheiden zwischen Geranium und Geranie. Die Geranie ist in Wahrheit eine Pelargonie. Diese ist, wie jeder Balkongärtner weiß, nicht winterhart und muss im Herbst hereingenommen werden. Vom Geranium hat der Autor Dutzende von Sorten und keine davon ist jemals im Winter eingegangen.

Neben dem Kampf gegen den Giersch (Geißfuß), das Moos und die Schnecken beschäftigt sich der Autor im Sommer mit seinen Hortensien.Sie stammen ursprünglich aus Japan und landeten 1789 im königlich botanischen Garten von Kiew bei London. Die Hortensie „ ist eine besondere Blume, kraftvoll und lebendig, wenn sie blüht, und stolz und anmutig wenn sie vergeht.“ Sie hat  ein bisschen Ähnlichkeit mit einem Schneeball. Von der klassischen Gartenhortensie werden in den Gartenmärkten die Sorten ‚Schneeball’, ‚Moritzburg’ ‚Early Blue’ und ‚Annabelle’ verkauft. Die Farben hängen mit der Chemie des Bodens zusammen: „ Auf saurem Boden werden sie blau, je alkalischer die Umgebung ist, desto mehr wechselt die Farbe über Rosa zu Rot. Deshalb wird Sie die Hortensie im Laufe der Zeit mit verschiedenen Farben überraschen.“
 

Tiere und Fische im Garten

Von Statuen im Garten hält Augstein wenig. Dennoch kauft er sich im Frühling einen schon etwas rissigen, grinsenden Löwen aus Sandstein, der ihn an die Chesire Cat (Grinsekatze) aus ‚Alice in Wonderland’ erinnert.

Frösche findet der Autor schön. Er liebt ihre glatte Haut und  ihre ruhigen großen Augen.
Er wünscht sich einen davon für seinen Garten. Also macht er sich mit seinen beiden Kindern auf den Weg zu einem großen Gartenmarkt, wo auch Musterteiche ausgestellt sind. Sie leihen sich drei kleine Kescher und fischen – sobald niemand zuschaute -  bäuchlings einige Kaulquappen aus dem Teich. Diese verstauen sie in gebrauchten Pappbechern aus dem Mülleimer, die sie mit Deckeln verschließen. Damit kommen sie unbehelligt an der Kasse vorbei. Zu Hause setzen sie die Kaulquappen in ihren Teich. Von den Fröschen, die daraus entstanden sind, überlebt leider nur einer!

Der Garten hält noch weitere Entttäuschungen bereit. Der unter Mithilfe von Handwerkern angelegte Folienteich hat Löcher. Im eiskalten nordischen Winter sterben die im Teich eingesetzten Fische. Durch das dicke Eis kann kein Licht mehr in die Tiefe dringen und den Fischen geht die Luft aus. Als der Autor die Eisschollen auseinander schiebt, kommen sämtliche toten Fische einschließlich des Frosches an die Oberfläche. Den Kindern wird die traurige Pflicht der Bestattung übertragen. Sie graben ein Loch, worin sie die Fische und den Frosch bestatten und vergessen nicht ein Kreuz aus Weidenholz auf dieses Tiergrab zu stellen.

Danach bleibt den Kindern nur noch die Vorfreude auf die von Nils Hoff vortrefflich gezeichneten Laufenten. Als Behausung für die Enten wartet bereits eine kleines Schlösschen.

Poesie im Garten


Das Buch enthält zahlreiche  literarische Reflexionen von Hölderlin bis Brecht, von Alice in Wonderland bis Astrid Lindgren, auch Zitate aus der Bibel sind enthalten. Mein Lieblingsgedicht über Narzissen (daffodils) von dem romantischen Dichter William Wordsworth findet  man im  Abschnitt Winter. Dieses Gedicht, über die im Lake District an einem Seeufer im Wind tanzenden goldgelben Narzissen, kennt in England jedes Kind!

                                    I wandered lonely as a cloud
                                    That floats on high o’er vales and hills,
                                    When all at once I saw a crowd,
                                    A host, of golden daffodils.

Bertram Koltmann übersetzt die ersten beiden Strophen dieses Naturgedichts so:

                                  Der Wolke gleich, zog ich einher,
                                  die einsam zieht hoch übers Land,
                                  als unverhofft vor mir ein Meer
                                  von goldenen Narzissen stand.
                                  Am See, dort wo die Bäume sind,
                                  flatterten, tanzten sie im Wind.

                                  So stetig wie der Sterne Schein
                                  und Funkeln hoch am Himmelszelt,
                                  war’n sie in endlos langen Reih’n
                                  Am Saum der Bucht entlang gestellt.
                                  Zehntausende, auf einen Blick,
                                  bogen im Tanz den Kopf zurück.


Augstein lässt die Farbe Gelb nur im Frühjahr gelten. Damit  spricht er mir aus der Seele. Was wäre Ostern ohne blühende Forsythien oder einen Strauß goldgelber Osterglocken. Leider blühen die wunderschönen Narzissen nur ein paar Wochen im Frühjahr. In England wachsen sie wild, stammen aber ursprünglich  aus Spanien. Der Autor wundert sich nur, wie sie dann über den Ärmelkanal nach England gekommen sind? Nur die Naricissus pseudonarcissus hat den Weg nach Norden gefunden, während Naricissus poeticus (die Dichternarzisse) nach Osten gezogen  ist!