helmut.agnesson

Es kommt auf die Richtung und den Standpunkt an

Handynutzung am Schabbat - erlaubt oder verboten?

Die Frage nach der Zulässigkeit der Handynutzung am Schabbat führt zu häufigen Diskussionen in jüdischen Gemeinden, wobei sich die eigentlich ganz praktische Fragestellung nach der möglichen Störfunktion eines klingelnden Mobiltelefones im Gottesdienst oder beim Qiddusch oftmals zu einer allgemeinen Erörterung entwickelt. Diese ist durchaus interessant, denn im konservativen und liberalen Judentum ist die Frage nach der Handynutzung während des Schabbats nicht eindeutig zu beantworten.

Orthodoxe haben es einfacher
In der Orthodoxie gilt der Grundsatz, dass jede Betätigung eines elektrischen Schalters ein Feuer auslöst oder zum Verlöschen bringt. Und Feuer am Schabbat ist verboten, somit ist das Handy grundsätzlich tabu. Eine Ausnahme besteht selbstverständlich bei Lebensgefahr, in diesem Fall müssen die Schabbatgebote zur Lebensrettung übertreten werden. Allerdings darf das Mobiltelefon während des Schabbats auch nicht mitgenommen werden, so dass es bei einem Unfall oder einer plötzlichen schweren Erkrankung (Herzinfarkt, Schlaganfall..) schlicht nicht zur Verfügung steht. Ärzte im Bereitschaftsdienst (der ist auch am Schabbat erlaubt, denn die Arbeit eines Arztes dient der Lebensrettung) dürfen ihr eingeschaltetes Handy mit sich führen. Diese Regelung ist aber eher in Israel als in Deutschland relevant, denn wer genügend nichtjüdische Kollegen hat, soll auch als Arzt oder Krankenschwester den Arbeitseinsatz und den Bereitschaftsdienst am Schabbat und an Feiertagen so weit wie möglich vermeiden.

Was gilt im konservativen und liberalen Judentum?
Wenn progressive Juden Elektrizität nicht mit Feuer verbinden – was für die meisten gilt – ist die Verwendung eines Handys nicht zwangsläufig verboten. Das Gerät darf allerdings nur für eindeutig private Anlässe benutzt werden, auch das Sprechen über berufliche Belange ist verboten. Wer also mit dem Anruf seines Chefs in der Freizeit rechnen muss, kann das diesem bekannte Mobiltelefon am Schabbat nicht einschalten – wobei es ohnehin sinnvoll ist, dass der Chef eine Rufnummer kennt, welchjene nur an Arbeitstagen eingeschaltet ist (Zweithandys sind heute nicht mehr teuer). Gespräche mit Kollegen sind möglich, wenn diese tatsächlich privat bleiben. Wenn die Kollegin oder der Kollege doch über dienstliche Belange spricht, soll sofort aufgelegt werden. Eine durchaus sinnvolle Alternative ist das Schabbat-Handy, dessen Nummer nur einer begrenzten Anzahl von Menschen bekannt ist. Wenn Menschen weit weg von ihren Eltern oder in einer Fernbeziehung an einem anderen Ort wie ihr(e) Partner(in) wohnen und diese(n) nicht jede Woche sehen, ist der Kontakt über das Mobiltelefon am Schabbat sogar ausgesprochen sinnvoll. Der Versand von SMS fällt unter das Schreibverbot – allerdings gibt es auch in diesem Zusammenhang die abweichende Auffassung, dass die Erzeugung rein elektronisch vorliegender Texte nicht als Schreiben im Vollsinn einzustufen sei. Ähnlich verhält es sich mit dem Fotografieren: Wer fotografiert, schreibt (wörtlich) mit Licht – und Lichtschreiben ist mit dem Schreiben vergleichbar.

Klare Regeln in der Synagoge
Unabhängig von der persönlichen Entscheidung zur Handynutzung muss während des Gottesdienstes und beim Qiddusch ein generelles Handyverbot akzeptiert werden. Denn in diesem Fall stört das Telefonieren schlichtweg die Gemeinschaft. Zudem gebietet die Höflichkeit, die Bestimmungen der Synagoge hinsichtlich der Handynutzung einzuhalten. Diese verbieten entweder die Handynutzung auf dem gesamten Gelände oder nur für die tatsächlich gemeinschaftlich genutzten Räume. Bei Ärzten im Notdienst gilt natürlich die Notwendigkeit der Erreichbarkeit, in diesem Fall verringert die Anwendung des Vibrationsalarmes und das Hinausgehen aus dem Gottesdienstraum beziehungsweise Qidduschraum die Störung der Gemeinde.

Fazit: Über die Handynutzung am Schabbat sind halachisch unterschiedliche Auffassungen denkbar – aber nicht zum Telefonieren während des Gottesdienstes. Sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber immer wieder klingeln Mobiltelefone während des Schabbatgebetes.