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Kreativität braucht Regelverstöße: Vom Umgang mit Autoren-Tipps

Angehende Journalisten können sich über mangelnde Fachliteratur nicht beklagen. Doch wer alle Regeln einhalten will, verliert bald die Freude am Schreiben.

Schreiben: Korrekt oder kreativ?

Neulinge der schreibenden Zunft erfahren es oftmals frühzeitig: Die Fähigkeit, etwas stilsicher, aussagekräftig und treffend zu formulieren, bedeutet noch lang nicht, dass man publizistisch erfolgreich ist. Oftmals haben Redakteure ihre ganz eigene Meinung, wie ein Text gestaltet werden sollte. So mancher frisch gebackene Hochschulabsolvent eckt daher mit seinem neu erworbenen (und im Grunde korrekten) Vorgehen erst einmal gewaltig an. Abgesehen davon muss natürlich auch jeder noch so genial formulierte Text in der Lage sein, Erträge und Leser zu generieren. Es gibt daher jede Menge Regeln und Tipps, was alles beachtet werden sollte. Man denke nur an die teilweise absurden Keyword-Vorgaben bei Online-Texten. Ob das wirklich immer so gut ist? Nachfolgend ein paar weitere Beispiele:
*Ein eingefügter Nebensatz darf nie mehr als elf Worte enthalten.
*Die wichtigsten Informationen gehören in den Anfangsbereich, da ein Text von hinten gekürzt wird.
*Gleichzeitig muss der Text aber bis zum Ende interessant gestaltet werden, damit der Leser nicht frühzeitig aufgibt.
*Der Texter sollte die Passivform, rhetorische Fragen, Verallgemeinerungen und das Wort „man“ vermeiden.
*Ein Hauptsatz beginnt niemals mit „und“.
 

Warum Regelverstöße notwendig sind

Auch die sprudelndste Kreativität stößt irgendwann an ihre Grenzen, wenn sie in das Korsett unzähliger Regeln und verbindlicher „Autoren-Tipps“ eingezwängt wird. Wirklich gutes, journalistisches Handwerk lebt gerade davon, dass Regelverstöße begangen werden. Das deutlichste Beispiel:
Welche Reportage ist heute wirklich noch nach der reinen, journalistischen Lehre gestaltet, weist also durchgehend die Einheit von Ort, Zeit und Handlung auf? Viele so genannte Reportagen stellen stattdessen einen kruden Mix aus Bericht, Report und Feature dar. Dennoch sind solche Beiträge, zumindest im Fernsehen, so erfolgreich, dass am nächsten Tag viele Menschen darüber sprechen.
Andererseits sind Regeln nicht dafür da, permanent gebrochen zu werden. Die eine Dekade währende, unsägliche Rechtschreibreform stellt in dieser Hinsicht ein besonders deutliches Negativbeispiel auf, denn so mancher Texter glaubt nun, alles sei erlaubt: Das wird selbst in seriösen Medien das grundverkehrte Wort „geschockt“ verwendet, und kaum jemand macht sich noch Gedanken darüber, dass die Verbindung des Wörtchens „wenn“ mit dem Konjunktiv stilistisch und grammatikalisch nicht korrekt ist.
Es gilt also, zwischen den manchmal konkurrierenden Zielen „Journalistische Regeln“ und „Publikumserfolg“ einen geeigneten Konsens zu finden. Wer das erfolgreich schafft, ist wirklich kreativ.
 

Die Sache mit der Neutralität

Eine der selbstverständlichsten, grundsätzlichsten, jedoch auch utopischsten Forderungen an den Autor ist die nach der Neutralität. Natürlich muss ein Autor bemüht sein, einen Sachverhalt von mehreren Sichtweisen aus darzustellen und die Argumente verschiedener Interessengruppen einzuholen. Das ist aber auch so ungefähr alles, was er dazu tun kann.
Wirkliche Neutralität in den Medien ist weder möglich noch die eigentliche Aufgabe ihrer Macher. Medien sollen ja gerade aufdecken, Nachrichten vermitteln, Themen aufbereiten und verständlich darstellen. Sie sind quasi die vierte Macht im Staat und können sich daher gar nicht aus Interessenkonflikten heraushalten.
Das, was so gern als Neutralität verkauft wird, ist in Wahrheit lediglich eine gewisse Ausgewogenheit. Denn bereits bei der Planung eines journalistischen Beitrags geschieht eine Vorauswahl, allein schon durch die Thematik. Wer beispielsweise über eine Regierungspartei berichtet, müsste sonst aus lauter Neutralität gleichzeitig ebenso viel über jede einzelne Oppositionspartei berichten. Da dies in der Regel nicht machbar ist, wird so bereits der Fokus auf eine einzelne Partei gelegt, und schon ist der Beitrag nicht mehr neutral. Bestenfalls kann man ihn noch als objektiv bezeichnen.
Doch selbst dann wird ein weiteres Mal die Neutralität verletzt. Immerhin sichtet der Journalist seine gesammelten Informationen. Was letztendlich in den Text, die Fernsehreportage oder das Radiofeature einfließt, ist nur ein Bruchteil des Ausgangsmaterials. Schließlich braucht der Beitrag eine bestimmte Form, einen Plot und ein Fazit. Unvermeidlicherweise fallen dabei als weniger wichtig erachtete Informationen und Quellen durch das Raster. Nicht immer geschieht diese Vorauswahl wirklich bewusst. Aus diesem Grund gelten heute manche Zeitungen eben beispielsweise als konservativ oder links-liberal, trotz aller journalistischen Sorgfalt und Objektivität.