Über den politisch unkorrekten Umgang mit Vertretern
Über den politisch unkorrekten Umgang mit Vertretern
shinze

Erziehung & Kinder

Über den politisch unkorrekten Umgang mit Vertretern

Ich bin vor einiger Zeit umgezogen - vom tiefsten schwäbischen Dorf in einer nicht mehr ganz so tiefe schwäbische 8000-Einwohner-Ortschaft. Man möchte es nicht meinen, aber der Unterschied für mein Sozialleben ist kolossal. In einem Dorf war ich vor ihnen sicher, hier bin ich es nicht mehr. In den knapp vier Wochen, die ich jetzt hier wohne, waren bereits vorstellig: die Bibelschwestern, die Staubsaugerfirma Vorwrack, ein Mann, der im Auftrag behinderter Menschen kam, welche Wurzelbürsten und andere Kunstwerke in Heimarbeit anfertigen. Ein Opa und vermeintlicher Zirkusdirektor, dem angeblich sein Zirkuszelt im Sturm fortgeflogen ist. Noch ein junger Mann vom Zirkus, der Futtergeld für seine Tiere sammeln wollte. Und die Tiefkühlfirma Schneemann - der Typ war die Krönung. Gut, der Zirkusopa hat mir irgendwie leid getan. Auch wenn ich ihm seinen selbstgebastelten Zirkusdirektorausweis nicht so ganz abgenommen habe, und wenn´s wohl höchstwahrscheinlich ein Schnorrer war, ich hab ihm zwei Euro gegeben. Den zweiten Zirkusmann hab ich wahrheitsgemäß damit abgewimmelt, dass ich nicht jedem vorbeikommenden Zirkus Geld geben könne. Dem Vorwrackmann hab ich die Härchen vom Gesicht gesengt mit meinem feurigen Desinteresse: "Haben Sie schon mal von der Firma Vorwrack gehört? (Sachlich aber noch freundlich:)"Möcht´ ick nich, danke." "Schon mal gehabt?" "BRAUCH ICK NICH!!!" - Türknall. Der Mann mit den Wurzelbürsten? Als wir nach endlos langen Sätzen an den Punkt kamen, da es um Cash ging, beendete ich das Gespräch mit: „Ich möchte nichts spenden, danke!“ Darauf meinte er, ich solle nichts spenden, ich solle nur etwas kaufen! Da war ich auch mal wieder platt. Ob ich etwas spende oder ob ich etwas kaufe, das kein Mensch braucht, läuft für mich auf´s gleiche hinaus. Wie auch immer, der Abgesandte der Tiefkühlfirma Schneemann war mit Abstand der Frechste von allen! Da ich vom letzten Vertreterbesuch (siehe oben) noch ein schlechtes Gewissen hatte, wollte ich ausnahmsweise mal nett sein und war BEREIT, seinen Katalog zumindest anzunehmen und durchzusehen. Was ich schon viel finde. Meine Telefonnummer, die er unbedingt haben wollte, mochte ich ihm allerdings nicht geben. Ich sag aber noch netterweise: "Ich meld´ mich dann bei IHNEN, falls ich was bestellen möchte!" Da kackt er ´rum, dass das nicht ginge, und wieso ich die Nummer nicht rausrücken wollte, wäre doch nix dabei.. Ich geb´meine Nummer aber grundsätzlich nicht raus. Und an Tiefkühlkostvertreter schon gleich dreimal nicht. Nachher ruft mich jeden Tag irgendwer an, der mir Tiefkühlbohnen verkaufen will. Ich brauch´den Fertigscheißdreck doch eh nicht, also was soll die Scharade! Am Ende hat er gemeint, er hätte mir eh keinen Katalog geben wollen, den ließe er nur bei "NETTEN LEUTEN". Da war ich platt. DER wollte doch was von MIR! Und am Ende muß ich mich beleidigen lassen?! Klasse. Die Bibelschwestern.. Ja, die Bibelschwestern.. Ich bin Atheist. Militanter. Ich möchte nicht über Gott reden. Noch weniger möchte ich mich kontinuierlich dargebotenen Missionierungsversuchen entgegenstellen. Meine Zeit reicht dafür einfach nicht aus. Ich weiß noch nicht, wie ich ihnen beikommen kann. Aber sie werden wiederkommen, ich weiß das. Und der Teufel in mir frohlockt schon mit sadistischer Vorfreude ob ihres nächsten Besuches. Bin ich ein Schwein, wenn ich nicht jedem vorbeikommenden Klinkenputzer eine halbe Stunde lang zuhöre oder reich beschenke? Ich kann sie einfach nicht leiden, diese superklug ausgedachte Gesprächsstrategie, bei der ich erstmal 10 Minuten höflich zuhören muß, weil ich ja gut erzogen bin. Und bei der ich nach besagten ersten 10 Minuten höflichen Zuhörens vor lauter Vertrauensbasis nicht mehr aus der Sache ´rauskomme, weil mein antrainiertes soziales Gewissen mir verbietet, jetzt noch NEIN zu sagen. Ich mag das nicht, ich bin allergisch darauf. Das läuft bei mir nicht. Ich brauch´ ganz dringend ein "Betteln-und-Hausieren-verboten"-Schild. Muß mal sehen, ob nicht irgendeine gehandikapte Randgruppe sowas in Heimarbeit herstellt. Damit wir uns nicht falsch verstehen, jeder Bettler hat bei mir die reale Chance auf einen ehrlichen Euro. Und ich spende jede Woche einen Euro Flaschenpfand an die Tafeln. Aber ich kann einfach nicht mit Haustürleuten!