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Esther und Waschti sind für die Purimgeschichte von großer Bedeutung

Waschtis Beitrag zum Purimfest

Esther gilt – zu Recht – als die Heldin der Ereignisse, welchjene wir an Purim feiern. Übersehen wird dabei, dass auch Königin Waschti ein großer Anteil an der Rettung der Juden im damaligen Persien zukommt. Seid nicht irritiert, wenn Ihr auch andere Schreibweisen ihres Namens wie Wasti oder Vasti findet, es gibt unterschiedliche Übertragungsmodelle hebräischer Namen ins Deutsche, welchejene teilweise auf lateinischen oder griechischen Zwischenstufen beruhen. Die dem Hebräischen am nächsten kommende Schreibweise ist Wašti.

Waschtis Weigerung und ihr Schicksal
Der König Ahasweros – auch für seinen Namen existieren selbstverständliche verschiedene Möglichkeiten der Wiedergabe im Deutschen – verlangt gegen Ende eines mehrtägigen Festes, dass seine Königin Waschti vor ihm und allen männlichen Gästen erscheinen und sich zeigen soll. Die Anweisung, mit der Königskrone bekleidet zu erscheinen, wird in der Auslegungstradition häufig so interpretiert, dass sie nur ihre Königskrone tragen soll. Das lehnt sie ab, woraufhin der König, ihr Ehemann, sie verstößt. Die Megilla erzählt nicht mehr, als dass Waschti vom Hof verstoßen wurde. Ob sie in Armut weiterlebt, ihr weiteres Auskommen in Wohlstand gesichert bleibt oder ob sie gar hingerichtet wird, darauf geben die einzelnen Ausleger verschiedene Antworten.

Der Charakter Waschtis
Die Interpretation, dass Waschti ungehorsam ist und deshalb zu Recht verstoßen würde, ist eine zu starke Vereinfachung und übersieht, dass der König ihr natürliches Recht auf Selbstbestimmung nicht wahrnimmt. Wenn wir davon ausgehen, dass sie tatsächlich nur mit der Königskrone bekleidet tanzen soll, lehnt sie sich vollkommen zu Recht gegen ihre Degradierung zum Sexobjekt auf. Alleine als starke Frau ansehen dürfen wir Waschti aber nicht, denn die Midraschim zum Buch Esther erwähnen ihre schwachen Seiten ebenfalls. Waschti soll nicht nur während des parallel zum Männerfest veranstalteten Frauenfestes die aus dem Tempel geraubten Becher als Trinkgefäße missbraucht haben, sondern auch ihre jüdischen Sklavinnen schlecht behandelt haben und sie mit voller Absicht regelmäßig zur Arbeit am Schabbat eingeteilt haben. Da König Ahasweros im gesamten Buch Esther als schwach und Entscheidungen überwiegend von anderen Personen treffend geschildert wird, können wir davon ausgehen, dass Waschti vor ihrer Verbannung die wirkliche Herrscherin Persiens war. Möglicherweise stellte ihre Weigerung, dem Befehl des Königs zum Erscheinen auf dem Fest der Männer zu erscheinen, einen expliziten Beweis ihrer Macht dar, so dass sich der persische König bloßgestellt und gedemütigt wurde.

Ohne Waschtis Weigerung wäre Esther nicht Königin geworden
Dass Waschti sich weigerte, (nackt) vor dem König und dessen betrunkenen männlichen Gästen zu erscheinen und aus diesem Grund verstoßen wurde, ist die Voraussetzung dafür, dass Esther Königin am persischen Hofe wird und somit die Juden Persiens vor dem von Haman angestifteten Pogrom retten kann. Gerade wenn Waschti ihre jüdischen Sklavinnen schlecht behandelt hat, ist es eine humorvolle und zugleich lehrreiche Pointe der Geschichte, dass ihr Verstoß vom Hof und der damit verbundene Verlust der Macht über ihre Dienerinnen die Rettung des jüdischen Volkes ermöglicht. Hätte Waschti ihre Würde als persische Königin nicht verloren, wäre kein Casting zum Finden einer neuen Regentin erforderlich geworden und Esther hätte ihre Rolle am Hof nicht einnehmen können. Wenn wir zu Purim von der Tapferkeit Esthers erzählen und die Heldin zu Recht loben, vergessen wir nicht, dass auch Waschti einen Anteil an der Rettung der Juden am persischen Hof hat.