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Wie wird man Existentialist? - Versuch einer Leseliste

Was ist Existentialismus?

Ist es nur das Herumsitzen in Cafés mit Kaffee oder Rotwein und Tabakwaren, das Tragen schwarzer Rollkragenpullover und belesenes Daherreden über alle möglichen Dichter und Denker, und dabei vielleicht noch auf einem Block Gedichte dahin zu kritzeln, von denen niemand weiß, ob sie irgendjemand lesen möchte? Dazu vielleicht noch die Unsitte zum Frühstück nichts als Kaffee und Zigaretten zu sich zu nehmen?
Ich muss wohl zugeben, dass ich, der sich für einen Existentialisten hält, all das oben Erwähnte schon getan habe, Manches davon vielleicht auch mehr als andere Leute, aber mein Alltag entspricht nicht diesem Klischee, und ich bin nicht sicher, ob ich das bedauere.
Zunächst mal trifft das Klischee schon rein äußerlich nicht ins Schwarze. Zwar kehren die erwähnten Motive in existentialistischen Kreisen immer wieder, allerdings ist die Abweichung von diesen Markenzeichen in äußerer Erscheinung oder auch Lebensführung mindestens genau so häufig, wahrscheinlich häufiger anzutreffen unter Existentialisten.
Zudem trifft es nicht den Kern des Existentialismus - das Überzeugt-Sein oder mindestens Stark-Beeinflusst-Sein von bestimmten philosophischen Theorien.
Und was ist nun Existentialismus? Eine nette Bekannte bat mich einmal in einem alternativen Café ihr Existentialismus in einem oder zwei Sätzen zu erklären. Es ging nicht! Das Unterfangen war hoffnungslos. Ich sagte: „Ich habe dafür dicke Bücher gelesen, jetzt soll ich das in zwei Sätzen wiedergeben?“ Nun erklärte ich ihr philosophische Grundaussagen und ein bisschen Angrenzendes etwa eine Stunde lang, während der ich genießen konnte, das mir eine nette Frau mit großen Augen zuhörte und ich Zustimmung von um uns herum sitzenden Kennern der Philosophiegeschichte erntete.
Zwei Wochen später traf ich die Bekannte wieder und sie sagte, es tue ihr leid, sie habe immer noch nicht verstanden, was Existentialismus sei.
Es scheint also, als haben zusammenfassende Erklärungen keine Aussicht auf Erfolg. Mir selbst ist auch noch niemals ein zusammenfassender Text begegnet, der den Inhalt der grundlegenden Bücher wirklich angemessen und zutreffend zusammenfasst
Wer es nun wirklich ganz genau wissen will, dem kann ich nur raten den Sprung in eine Flut von Buchstaben in wichtigen Büchern der Weltliteratur zu wagen. Eine zusammenfassende Erklärung mag ich noch einmal anderswo versuchen, es aber auch angesichts ihrer Schwierigkeit für immer restlos aufgeben und mich angenehmeren und sinnvolleren Tätigkeiten zuwenden.

Deshalb folgt hier eine Leseliste der Bücher, die ich – zugegebenermaßen ganz subjektiv - für erforderlich halte, um Existentialismus zu verstehen und Existentialist zu werden, falls man sich von den Inhalten der Bücher denn weitgehend überzeugen lässt, wozu natürlich niemand verpflichtet ist. Es gibt noch mehr Autoren und Werke, die mit dieser Tradition in Verbindung stehen, die ich auslasse, da sie nicht absolut notwendig sind, um die Hauptlinie dieser Schule zu verstehen, oder die wieder relativ exotisch von dieser Hauptlinie abweichen. Die meisten Existentialisten beschäftigen sich noch mit anderen Philosophien, Wissenschaften, literarischen oder künstlerischen Strömungen, anderen Hobbies und natürlich auch allen möglichen Arten von Arbeit.

Die Reihenfolge dieser Bücher, die ich angebe, stellt nicht die Reihenfolge ihres Erscheinens dar, sondern eine sinnvolle Reihenfolge, in der man sie lesen sollte, um die entscheidenden Gedankengänge auf einander aufbauend nachzuvollziehen. Dabei sind einige der ersten Texte in der Liste und wenige später selbst keine existentialistischen Bücher, vermitteln aber Grunderkenntnisse und Grundstimmungen, auf denen Existentialismus mit weiteren Erkenntnissen aufbaut.
Wenn es Jahre dauern sollte, all diese Bücher zu lesen, wäre das nicht ungewöhnlich und für den Leser kein Grund sich zu schämen.
 

Einige Bücher über den Menschen:

Wilhelm Weischedel – Die philosophische Hintertreppe

René Descartes - Meditationen

Friedrich Nietzsche – Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn.

Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray

Oscar Wilde - Aphorismen

Arthur Schopenhauer – Von der vierfachen Wurzel des Satzes zum zureichenden Grunde

Friedrich Nietzsche – Also sprach Zarathustra

Sören Kierkegaard – Entweder Oder

Franz Kafka - Aphorismen

Franz Kafka – Das Schloss

John Gribbin – Auf der Suche nach Schrödingers Katze

Sören Kierkegaard – Der Begriff Angst

Sören Kierkegaard – Die Krankheit zum Tode

Martin Heidegger – Sein und Zeit

Jean-Paul Sartre – Die Transzendenz des Ego

Jean-Paul Sartre – Das Sein und das Nichts

Albert Camus – Der Mythos des Sisyphos
 

Eine Weile nach Sartre und Camus ging der Existentialismus teilweise im Postmodernismus auf und in gewisser Weise auch in der aus Amerika stammenden Beat Generation, besteht aber daneben noch weiter in seiner eigentlichen Form neben anderen Schulen der Gegenwartsphilosophie wie der analytischen Philosophie, der kritischen Theorie der Frankfurter Schule, dem Konstruktivismus, Psychoanalyse und Tiefenpsychologie und weiteren Strömungen.
 

Und nun noch etwas Werbung in eigener Sache

Einige nicht so berühmte Werke der Weltliteratur aus meiner eigenen Feder:

Weitere Texte von Stefan Soeffky

Offenherzig

Älterer Wein

Zwei Gedichte - ernstere Reflektionen

Von Albernheit und Ernsthaftigkeit

Zwei unterschiedliche Stimmungen in zwei Gedichten