Kino & Fernsehen
Kiyoshi Kurosawas „Pulse“ (DVD) – Der Horror der Moderne
Japanische Horrorfilme (auch J-Horror genannt) machten in den 90er Jahren wieder richtig Angst und spätestens mit „Ring“, ab 1998, wurden sie auch international beachtet und feierten verdiente kommerzielle Erfolge, was dann zu einigen mehr (z.B. Gore Verbinskis „Ring“) oder weniger gelungenen US-Remakes der japanischen Originale führte.
Zwar im Grunde dazugehörig, stand der Regisseur Kiyoshi Kurosawa mit seinen Filmen aber dennoch etwas abseits. Er ging durchaus von denselben Prinzipien aus, wie etwa dem, das man Geister filmen sollte, als gäbe es sie wirklich, doch auch wenn seine Filme nicht weniger furcheinflößend waren, so funktionierten sie doch etwas anders, waren abstrakter.
Im Gegensatz zu manch anderen J-Horror-Regisseuren, die in Interviews auch freimütig von Geisterbegegnungen erzählen, glaubt Kurosawa selber allerdings nicht an Geister. Bei ihm stehen die Geister eher für etwas, was im Menschen oder in der Gesellschaft verborgen liegt und so an die Oberfläche kommt.
Geister und Menschen
„Pulse“ („Kairo“ 2001) beginnt wie andere japanische Horror-Filme, in denen durch die moderne Technik schreckliche Ereignisse ausgelöst werden. Hier ist es der Computer, das Internet.
„Wollen Sie Geister sehen?“, steht auf dem Bildschirm eines Studenten, der gerade seinen ersten Computer angeschlossen hat. Neugierig klickt er weiter. Dann sieht er einen Menschen in einem Zimmer, der aufblickt, als hätte er die Anwesenheit des Beobachters gespürt. Erschrocken bricht der junge Mann ab und findet Hilfe bei einer Informatikstudentin.
„Pulse“ hat keine Hauptfigur. Er kreist um das Schicksal einiger junger Leute, die einem unheimlichen Phänomen ausgesetzt sind: Virusartig breitet es sich aus. Menschen begehen Selbstmord. Sie siechen dahin. Sie verschwinden einfach. Sie hinterlassen einen körpergroßen, schwarzen Fleck an der Wand oder dem Boden. Sie lösen sich auf im Wind.
„Pulse“ ist aber auch ein Film über Angst und Einsamkeit in der modernen Welt. Die Einsamkeit der Lebenden, die nichts vom anderen wissen, die nicht miteinander kommunizieren. Und die Einsamkeit der Toten: „Der Tod ist ewige Einsamkeit“ wird vom einzigen Wesen, das es wissen muss, gesagt. Im Grunde ist der Mensch in der Welt dieses Films auf der Erde schon ein Geist, während er glaubt, noch zu leben. Denn wo ist der Unterschied? Die Geister bleiben auf der Erde. Es gibt kein Jenseits mehr für die Toten. „Hilf mir! Hilf mir!“ rufen die Geister. Aber wer soll helfen? Die Menschen sind zu vereinzelt, zu schwach. Sie können sich hier nicht einmal selbst retten.
Unsicherheit und Orientierungslosigkeit
Kurosawa erzeugt Schrecken vor allem durch die Erzeugung von Unsicherheit. Die formale Virtuosität lässt die Figuren und den Zuschauer die Orientierung verlieren. Oft weiß man nicht, was man sieht oder wer der Beobachter ist. Auch die Handlung gibt keine Hilfen, nur Andeutungen, Vermutungen. „Pulse“ vermeidet geschickt den Fehler vieler Horror-Filme eine im Endeffekt doch nur enttäuschende Pseudologik herzustellen. Auch das ist eine seiner vielen Stärken.