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Haus & Garten

Luftbett - unangemeldeter Besuch zu Weihnachten

Weihnachten steht vor der Tür. Das Fest der Liebe. Man sollte gut vorbereitet sein. Wer weiß, wer spontan vor der Tür steht und mitfeiern möchte? Zum allem Überfluss sind die Geschäfte die Feiertage über geschlossen.

Das ist gut, wenn man dann selbst nicht arbeiten muss. Es ist aber schlecht, wenn man in die Verlegenheit kommt, irgendetwas ganz plötzlich ganz dringend zu brauchen. Dann bleibt nur noch die Tankstelle. Zu überteuerten Preisen kann man sich dort rund um die Uhr mit dem Nötigsten eindecken. Un mit noch vielen anderen Dingen mehr.

Deswegen sage ich euch: Vorbereitung ist alles. Hätte ich es im letzten Jahr auch mal getan!

Wir wollten gerade in die Kirche gehen. An Weihnachten gehört das bei uns zum Brauch. Unsere kleine Anna öffnete die Wohnungstür. Sie wollte sich ihre Schuhe anziehen, die draußen im Regal standen. Aber vor der Tür, da standen nicht nur ihre Schuhe. Da standen auch die Riebigs und die Niedereggers. Zwei befreundete Pärchen. Mit ihren Kindern, drei Stück an der Zahl.

Anna freute sich über dieser Überraschung. Kinder zum Spielen waren ihr immer sehr willkommen.

Nicht sofort, erst im Verlauf des Abends wurde mir und meiner Frau klar, dass die Riebigs und die Niedereggers unsere Verabschiedung vom letzten Spieleabend wörtlich genommen hatten:

"Lasst uns mal wieder was zusammen machen. Vielleicht so um Weihnachten."

Jetzt standen sie vor unserer Tür. Wären wir bloß schon früher in die Kirche gegangen. Dann hätten die schön vor der verschlossenen Tür warten können.

"Was macht ihr denn hier?", fragte ich in die Runde vor unserer Wohnungstür, nachdem meine begeisterte Tochter mich rief.

"Ach Rainer, immer zu Scherzen aufgelegt.", antwortete Petra Niederegger. "Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Weihnachten etwas zusammen machen."

"Wir wollten gerade in die Kirche", stammelte ich.

"Das ist super", jauchzte Petra. "Wir stellen nur schnell unsere Sachen für die Nacht in euer Gästezimmer und dann kommen wir gleich mit."

Oh je. Mir schwante böses. Die wollten nicht nur bei uns bleiben - die blieben auch über Nacht. Da war Improvisationstalent gefragt.

Wir hatten kein Gästezimmer. Also wurde das ganze Zeug erst einmal im Wohnzimmer abgeladen. Manie Famile bestand neben mir noch aus Tochter Anna und meiner Frau Kathi. Die beiden schickte ich mit unserem Besuch in die Kirche. Ich blieb zu Hause, um die Situation zu retten.

In die dicke Festtagssuppe kippte ich noch 2 Liter Gemüsebrühe. Jetzt war sie nicht mehr so dick. Hatte aber genug Volumen, damit jeder etwas davon hatte. Unser Weihnachtsbraten war bereits in der Röhre. Okay, man macht dann ja doch immer mehr, als man essen kann. Mit ein bisschen Glück konnte ich den später so aufschneiden, dass jeder 1-2 Stücke davon essen konnte.

Jetzt musste die Palette der Sättigungsbeilagen erweitert werden. Knödel und Rotkohl waren schon gesetzt. In einen großen Topf kippte ich jede Gemüsedose, die ich finden konnte. Vielleicht standen die Kinder ja vielleicht da drauf - einen bunten Kessel aus Möhren, Erbsen, Mais und Bohnen würde ich ihnen später vorsetzen. Vielleicht war mein bunter Topf etwas bohnenlastig. Ich fand in unserem Schränkchen Kidneybohnen, weiße Bohnen, Brechbohnen und Schnippelbohnen. Alles aus der Dose. Das Zeug war nicht dort, weil wir es so sehr mochten. Durch den ein oder anderen Fehlgriff war es vor langer Zeit erst in unserem Einkaufswagen gewandert. Und von dort in unseren Vorratsschrank. Und hatte auf eine Gelegenheit wie die heutige gewartet. Not mach erfinderisch.

Ansonsten hatten wir nicht mehr viel. Die paar Knödel reichten für Anna, Kathi und mich. Irgendwas anderes musste ich noch auftischen. Wir hatten noch Spaghetti in Massen. Aber die passten nun wirklich nicht ins Konzept. Und sonst? Nicht einmal mehr Kartoffeln.

Milch, Eier, Mehl... Pfannkuchen erschienen mir dann auch zu einfach. Ein Geistesblitz schoss mir durch den Kopf: Mein Geschenk für Kathi! Ich rannte zum Tannenbaum und riss das Geschenkpapier auf. Mit der Spätzle-Schüttel-Flasche war der Abend gerettet! Selbstgemachtre Spätzle - das war doch was. Und die waren mit der Schüttelflasche schnell gemacht. Kathi hatte hoffentlich Verständnis für die Entweihung ihres Geschenkkartons.

Von der Tanke besorgte ich noch Eis zum Nachtisch. Damit würde ich die Kinder hoffentlich wieder auf meine Seite bringen. War das genug Entschädigung für den bunten Bohnenkessel?

Ein Problem hatte ich noch: Wir hatten kein Gästezimmer. Aber 7 Übernachtungsgäste. Unser Sofa eignete sich nicht zum Schlafen. Was nun?

Meine einzige Chance bestand darin, durch unser großes Treppenhaus zu irren und die Nachbarn bei ihrem Weihnachtsfest zu stören. Ich ging von Tür zu Tür und klingelte. Die wenigsten öffneten. Sie waren wohl entweder verreist oder auch gerade im Gottesdienst. Einige wollten sich wohl einfach nicht stören lassen. Jedenfalls konnte ich Stimmen und Geräusche.

Trotz alledem - es gab hilfsbereite Menschen, die öffneten. Schließlich konnte sich die Ausbeute nach dem Ende meines Streifzuges sehen lassen. Vier Luftbetten!

Die störten erst einmal nicht bei unsererm Weihnachtsfest. Klein zusammengepackt passten sie in die Ecke hinterm Weihnachtsbaum und waren so gut wie unsichtbar. Später konnte ich unser Wohnzimmer in eine komfortable Liegelandschaft verwandeln. Schlagen de Luxe für unsere unerwarteten Gäste.

Wir hatten dann alle zusammen noch ein echt schönes Weihnachten. Unsere Freunde hatten guten Rotwein mitgebracht. Die Kinder spielten bei Anna im Zimmer. Auch wir Erwachsenen vertrieben uns die Zeit mit Gesellschaftsspielen.

Am nächsten Morgen war der Spuk vorbei. Nach dem Frühstück verabschiedeten sich unsere Gäste.

Wir gönnten uns uns später Essen vom Bringdienst. Natürlich chinesisch. Praktisch, dass Chinesen kein Weihnachten feiern.

Am zweiten Weihnachtstag waren wir dann etwas ratlos. Alle Vorräte waren geplündert. Nur vom Bohnenkessel waren noch Reste übrig. Da konnte aber niemand drauf. Sollten wir noch einmal chinesisch essen?

Doch Kathi hatte die zündende Idee: "Hatte sich Petra nicht mit den Worten verabschiedet 'Schön war es bei euch, wir müssen uns unbedingt bald mal wieder sehen. Vielleicht mal bei uns?'"

Und so packten wir unsere Sachen und fuhren los. Zwei Luftbetten nahmen wir vorsichtshalber gleich mit. Zu unserem Besuch bei den Niedereggers.