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Abschied nach zwölf Jahren im Call-Center

Mein letzter Tag als Stromrat


Der heutige Tag (27. September 2011beziehungsweise 28. Elul 5771) ist mein letzter Arbeitstag als Stromrat in einem großen Münsteraner Call-Center. Im nächsten halben Monat werde ich die Hohen Feiertage noch einmal in Münster verbringen und meine Wohnung leerräumen, ehe ich nach Templin umziehe. Mit dem Jahresbeginn (auf den jüdischen Kalender bezogen) beginnt ein spannender neuer Lebensabschnitt.

Warum ich umziehe
Vor etwa eineinhalb Jahren lernte ich meine Schatzallerliebste kennen. Eine Fernbeziehung ist keine dauerhafte Lösung, so dass ein Umzug sinnvoll ist. Da sie einen jungen Sohn hat, fällt mir ein solcher leichter als ihr. Nachdem wir beide recht lange alleine wohnten, erschien der plötzliche Wechsel von seltenem Sehen zum vollständigen Zusammenleben uns beiden als recht extrem, zumal ich in Templin auch von zu Hause aus arbeiten werden. Somit entschieden wir uns dafür, dass ich eine eigene kleine Wohnung finde und somit ein Rückzug möglich ist, wenn eine oder einer von uns ein wenig Zeit für sich braucht, wobei ich natürlich überwiegend bei meiner Schatzallerliebsten sein werde. Meine gefundene Einraumwohnung mit zusätzlicher auch als Raum nutzbarer Küche liegt zwei Blocks von der Wohnung meiner Partnerin entfernt. Ich freue mich riesig auf meinen Umzug. Lobenswert erwähnen möchte ich für das Call-Center unsere Personaleinsatzplanung, welche mir den Kauf ermäßigter Sparpreiskarten durch die sichere Erfüllung meines Arbeitszeitwunsches vor und nach meinen Wochenenden bei meiner Schatzallerliebsten ermöglicht hat.

Meine Arbeit im Call-Center
Meine Tätigkeit im Call-Center begann vor mehr als zwölf Jahren, wobei ich zunächst eine Handybestell-Hotline im Outbound und die Kundenberatung eines weiteren Mobilfunkanbieters im gemischten In- und Outbound bediente. Darauf folgte eine umfangreiche telefonische Marktforschungsstudie, ehe ich für einen großen Stromanbieter zu arbeiten begann. Zunächst war ich nur in der Anwerbung bundesweiter Neukunden tätig, welche nach geschalteten Werbespots bei uns anriefen und Informationsmaterial anforderten. Kurze Zeit später telefonierte ich auch für die Bestandskundenbetreuung im Grundversorgungsgebiet. wobei unsere Arbeit außer dem Telefonieren immer auch aus Sachbearbeitungs-Stunden bestand. Während einiger Jahre, als die Rückpostbearbeitung von unserem Auftraggeber noch als Mittel der Qualitätssicherung im Adressbestand und der Kundenkommunikation angesehen wurde und es für diese anspruchsvolle Aufgabe spezielle Teams gab, bearbeitete ich fast ausschließlich Postrückläufer und half nur bei extremen Warteschleifen am Telefon aus. Diese Zeit empfinde ich nach wie vor als die arbeitstechnisch interessanteste im Call-Center. Später wurde das Team aufgelöst, die Rückpostbearbeitung galt nur noch als etwas, was gemacht wurde, wenn gerade keine andere Aufgaben zu bewältigen waren und jeder wurde hierbei eingesetzt. Was dazu führte, dass statt der bewährten Vornahme von Recherchen nach der richtigen Adresse falsch angeschriebener Firmen und Privatkunden irgendwann jeder Brief einfach noch ein zweites Mal an die ursprüngliche Adresse verschickt wurde. (In einem konkreten Fall macht das durchaus Sinn, nämlich nach einem Neueinzug, wenn der Name beim Eintreffen des ersten Anschreibens noch nicht am Briefkasten stand und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass Verbrauchs- und Zustelladresse voneinander abweichen). Zwischenzeitlich war ich im Betriebsrat tätig, wobei meine Tätigkeit als Nachrücker begann und vorzeitig endete, als ich mir bei einem Fahrradunfall auf Glatteis und dem Weg zur Arbeit die Hüfte brach und mehrere Monate in der Reha-Klinik verbrachte.

Meine Arbeit nach der Tätigkeit als Stromrat
Künftig werde ich schreiben. Damit meine ich nicht nur Texte auf Pageballs oder Suite 101, sondern in erster Linie Auftragsarbeiten für Kunden über zwei Plattformen im Internet. Mit dieser Arbeit habe ich als Nebentätigkeit vor mehreren Jahren begonnen und sie ausgeweitet, als mir bei einem Strategiegespräch die Lohnerhöhung verweigert wurde, da ich zwar gut sei, aber nicht besser geworden wäre. Als Konsequenz davon kürzte ich meine Stundenzahl im Call-Center und weitete meine Autorentätigkeit entsprechend aus. Paradoxerweise gehörte meine Fähigkeit der Texterstellungen zu den Begabungen, welche mein Arbeitgeber im Call-Center nie wirklich sehen wollte. Bei jeder Bildung von Spezialistenteams, deren Aufgabe die Texterstellung war, wurde ich nicht von meinen mit der Teamzusammenstellung beauftragten Vorgesetzten wegen einer möglichen Beteiligung gefragt, obgleich meine entsprechende Tätigkeit meinen Vorgesetzten bekannt war. Nun ja; jene Begabung, welche diese verworfen hatten, wird nun zur Eckbegabung für den Verdienst meines Lebensunterhalts. Am meisten freue ich mich natürlich darauf, meine Arbeit bald am Wohnort und oft in der Wohnung meiner Schatzallerliebsten durchführen zu können.